Trotz starker Behinderung in Müchen dabei:
Fachfrau für den Para-Schießsport im NDSB/DSB und selbst für die DM qualifiziert: Barbara „Bibi“ Kathe – Mit nur einem Bein leben und Fröhlichkeit verbreiten? „Jeder kann das“, sagt „Bibi“ Kathe
BAD MALENTE Unter den rund 6.000 Teilnehmern bei den Deutschen Meisterschaften der Sportschützen in München ab dem 17. August sind knapp hundert Schleswig-Holsteiner mit 180 Starts. Nur zwei Mitglieder des Norddeutschen Schützenbundes schießen dabei in Wettbewerben für körperlich Behinderte. Erneut dabei Barbara Kathe vom Schützenverein Malente und Anja Simonsen, die diesmal für den Schützenverein Reinfeld antritt. Für beide ist allein die Teilnahme der sportliche Höhepunkt des Jahres, trotz nicht unbeträchtlicher Beeinträchtigungen und notwendiger Mühen der Betreuung nehmen beide gern die lange Reise auf sich. „Wir wollen ein Zeichen dafür setzen, dass im so genannten Para-Sportschießen auch der Wettkampf- und Leistungssport Spaß macht und Halt gibt“, war von ihnen vor der Abreise bei den Schlusstrainingseinheiten zu hören.
Auf den Luftgewehr- und Kleinkaliberbahnen des Schützenvereins Malente herrscht kurz nach dem Schützenfest bereits wieder Hochbetrieb. Wegen der laufenden Ligawettkämpfe Kleinkaliber-Auflage und besonders durch die drei Teilnehmer bei der DM. Unter Anleitung von Trainer Ingolf Falkenberg üben jetzt mehrfach in der Woche die Jugendlichen Lara-Schirin Schumann und Kylian Barth.
Zu ihnen gesellt sich nach dem Zulassungsbescheid des Deutschen Schützenbundes auch die 56 Jahre alte Barbara Kathe, die nach Amputation bereits im elften Lebensjahr mit einem Bein auskommen muss. Aus dem Pkw geht es zunächst in einen Rollstuhl, dann ins Schützenhaus. Barbara, die einfach gern „Bibi“ genannt werden möchte, hat bis vor Monaten noch ohne Rollstuhl mit zwei Unterarmstützen den Weg allein beschritten. Das geht nicht mehr. Ihr Mann Bernd ist zuverlässiger und stets ruhiger Begleiter, trägt den Waffenkoffer und das Zubehör, das einfach für die Ausübung von eingeschränkten Schießsportlern notwendig ist.
Barbara Kathe wird von den bereits übenden Vereinsmitgliedern freudig begrüßt. Sie hat ein so gewinnendes Lächeln, eine Freundlich- und Fröhlichkeit. Das alles steckt einfach an.
Wie kann „Bibi“ Kathe mit nur einem Bein ihren geliebten Schießsport praktisch ausüben?
„Ich wurde als Kind rückschauend damit erstaunlich gut fertig, wollte ich doch wieder auf mein geliebtes Pferd zurück. Natürlich wurde ich nach Verlust meiner Haarpracht durch die Chemo-Behandlungen schon mal in der Schulkasse gehänselt. Aber auch da gewann ich stets Lebenszuversicht und hab so manchem frechen Jungen schon mal die Grenzen aufgezeigt“, sagt sie lächelnd und lässt sich von ihrem Mann Bernd einen „Eierbecher“ in den Lauf des Luftgewehres legen. Der darf das demnächst sogar auf der Olympia-Anlage in München. Anerkannter Ladehelfer ist die Bezeichnung im Behinderten-Schießsport. Zahlreiche Regeln kennt der Schießsport ja ohnehin, die wenigen Para-Sportler müssen besonders viel beachten. Sie benötigen für die unverzichtbaren Hilfsmittel sogar ein Dokument über eine Zertifizierung. Gehören sie zu SH1/AB1, SH2/AB2 oder SH3/AB3? Aber lassen wir das.
Der Norddeutsche Schützenbund hat dafür Isabelle Flor als Fachkraft ein seiner Seite. Ehrenamtlich sind Barbara und Bernd Kathe übrigens Landesreferenten des NDSB für den Para-Schießsport. „Diese Aufgaben füllen mich als Rentnerin jetzt neben dem weiteren Arbeitsfeld für Anti-Doping aus. Ich musste in meinem Beruf bei der Bundesagentur für Arbeit auch schon mit vielen Rechtsvorschriften umgehen, ich brauche etwas um die Ohren“, sagt die energievolle Frau. Seit November 2022 hat sie der DSB sogar als Bundesreferentin für Para-Schießsport eingesetzt. Schon auf die ersten Fragen nach den Regeln und den Möglichkeiten, diesen Sport sitzend auszuüben, spult sie die vielen zunächst schwer verständlichen Begriffe runter. Allein die übernommenen Aufgabenfelder füllen sie und ihren Bernd aus. Und doch will sie selbst sportlich schießen.
Aber sportlich schießen will sie ja auch noch. „Ja, und das geht sehr gut, zugegeben mit Hilfsmitteln“, gibt Barbara Kathe zu. Sie will Menschen Mut machen, einmal über das sportliche Schießen als Betätigung nachzudenken: „Eine gute Art, wenn vielleicht das Laufen oder Radfahren nicht mehr gehen. Ich habe immer nach vorn geschaut, sportlich geschwommen und getaucht, mich in der Plöner Segelschule von Verwandten eingebracht. Bloß nicht aufgeben. Und dabei habe ich meinen Mann Bernd kennen und lieben gelernt“. Durch einen Schießsportwettbewerb in Hohenfelde haben beide schließlich zum Schießen gefunden. Sie sind dort noch in der Schützengilde, derzeit nehmen beide für den Malenter Schützenverein an Rundenwettkämpfen und Meisterschaften teil. „Als wir den damaligen Landessportleiter Volker Kuhr nach guten Trainern fragen, kam gleich der Hinweis auf Ingolf Falkenberg“, ergänzt Bernd. Er war ihr Begleiter, als die Nationalkaderschützen des DSB besucht werden durften. „Die waren ja einfach eine Klasse für sich, hatten schon an internationalen Wettbewerben teilgenommen. Gaben sich ganz normal und lieferten auch viele praktische Hinweise“, sagt Bibi begeistert.
Die Ringzahl bei den Landesmeisterschaften im Para-Wettbewerb Luftgewehr liegend reichte nun sogar für München. „Ich durfte dort 2022 schon einmal antreten, jetzt geht es an das Liegendschießen“, erklärt „Bibi“ Kathe. Dabei zeigt sie einen besonderen kleinen Tisch, auf den sie ihre Ellenbogen aufstützt. „Extra auf meine Bedürfnisse abgestellt von meinem Mann gebaut.“ Richtig liegen muss sie nicht, vielmehr sitzt sie auf einem Hocker und versucht, das Luftgewehr auf dem leicht vibrierenden Federbock ruhig zu halten. Gar nicht so einfach. „Um gegen die besten Behinderten-Schießsportler Deutschlands vorn mit dabei zu sein, benötige ich schon einen Glückstag. Ich sehe das alles realistisch, für mich und auch die mir gut bekannte Reinfelderin Anja Simonsen.“
Simonsen hat bereits mit sechs Jahren einen schweren Schicksalschlag erlitten, durch einen Herzfehler trat ein Schlaganfall auf. Der führte zunächst zu einer halbseitigen Lähmung, die sich zum Glück verbesserte. Beeinträchtigt ist sie bei der Benutzung des linken Arms. “Ich ging immer gegenan und entschloss mich 1986, das sportliche Schießen zu versuchen. Beim SchV Klein Wesenberg und jetzt wieder beim SchV Reinfeld, da wohnen mein Mann, der Ladehelfer für München, und ich”, sagt sie immer gut gelaunt. Seit 2011 durfte Anja Simonsen jetzt bereits zum siebten Mal nach München reisen. “Mein Motto ist: Dabei sein ist wichtig, allein die Qualifikation ist für mich ein persönlicher Erfolg.”
“Bibis” Ehemann Bernd hat sich in Anwesenheit des Malenter Trainers Ingolf inzwischen als Ruhepol gezeigt, leise beim Laden den einen oder anderen Tipp gegeben. „So wie die letzten zwanzig Schüsse, fast alle im Zentrum, sollte es bei der Deutschen laufen. Dann bist du unter den ersten Zehn“, ist sein ermunternder Kommentar. Beide freuen sich, dass die frisch gebackene Malenter Schützenkönigin Wibke Wolgast mit Trainer Falkenberg über ihre Schultern schaut und voller Begeisterung sagt: „Ich glaube das wird was, ich drücke die Daumen.“ WB
Infokasten:
Wer mit körperlicher Einschränkung Interesse am Schießsport hat, kann sich an Barbara und Bernd Kathe als Landesreferenten des NDSB für den Para-Schießsport wenden. Telefon 04365-665 oder Mail: document.getElementById(“eeb-272914-509793”).innerHTML = eval(decodeURIComponent(“%27%70%61%72%61%2d%73%63%68%69%65%73%73%73%70%6f%72%74%40%6e%64%73%62%2d%73%68%2e%64%65%27”))*protected email*oder die Internetseite https://www.ndsb-sh.de/sport/para-schiesssport/ansprechpartner aufrufen.